Michael Hüttenberger

 




distanz in den mai

als dj covid neunzehn leg ich platten
auf teller minen spiele risse sprünge
wie wiederholungsschleifen die ich singe
balkonienabwärts statt in palmenschatten

zu dösen lobgesänge die ermatten
als ob wir nicht an diesem leben hingen
maskiert mit sauerstoffentzug verbringen
an freiheit was und wie sies uns gestatten

der lockdown dockt uns in den schatten wände
verrücken zuversicht beginnt zu tanzen
aus jenen viren werden discokugeln

mit licht gestalten die nach impfstoff googeln
bis r-faktoren bieten toleranzen
ein letztes scratchen nadel hoch zu ende

 




 

Glücksmomente
(nach Wolf Wondratscheks Cartoon: „Glücksfälle")

Sich selbst umarmen, sein Spiegelbild küssen und genau wissen, dass man nicht enttäuscht sein wird.
Sich jeden Tag 20 Sekunden die Füße waschen.
Gummihandschuhe aufblasen, um sein Lungenvolumen zu testen.
Vor Freude Desinfektionsspray versprühen.
Sich einen Mundschutz nähen und nicht benutzen.
Jeden Tag eine neue Kerze anstecken.
Vom letzten Stockwerk eines hohen Hauses heruntersingen und die halbe Gegend mit Dankbarkeit beschallen.
In seiner Wohnung wandern und dabei schön auf dem Teppich bleiben.
Auch dem Hefeteig beim Gehen zuzuschauen kann zu einem Glücksmoment führen.
Sich damit begnügen, das Schonwaschprogramm zu gucken, dem Rhythmus der Spülmaschine lauschen und darauf warten, dass sich der Kühlschrank einschaltet.
Mit Klopapierrollen Jo-Jo und mit Spaghetti Mikado spielen.
Russische Eier zusammen puzzeln und sofort runterschlucken.
Eine Orange mit Nelken spicken und sich über die Ähnlichkeit freuen.
Einen Rasierapparat nehmen, bis die Frisur wieder sitzt.

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