Michael Hüttenberger |
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BERLIN 8-20 Das
Tempo rausnehmen. Frühstück in der Morgensonne. Zehn Zentimeter in der
Sekunde fließt die Spree. Für Stromleitungen wurden mal Brücken gebaut.
Ende der Idylle. In den Fluss schauen ist wie Drachen steigen lassen. Gedanken
scheiden sich im Unendlichen. // Ausflugsboote mit Panoramadach. Ein
distanzloses Entenpaar. Eine Dohle pickt in einer toten Ratte. Von hinten ein
Schwarm Fahrradfahrer. Und immer wieder Jogger. Aus allen Richtungen.
Laufstilanalysen. Vereinzelt Stockstelzen. Zum Expertentum fehlt mir die
Geduld. // Eine Nische mit Bank. Schwarzes Geländer. Blütenstaub auf dem
Wasser. Morgensonne im Gesicht. Sekundenschlaf.
Vogelschiss auf schwarzer Lederjacke. Die Ente auf dem Baum. Oder eine Taube.
Im Schlosspark Kübel gerade rücken. Unter den Schuhen knirscht der Kies. //
Boot statt Bus. Ein wenig wie Venedig. Lautsprecheransagen mit
Klangbeispielen. Von West nach Ost. Stromaufwärts. Innerdeutsche Geschichte.
Nur noch ein Streifen von Mauer. Zum ersten Mal Berlin vor 35 Jahren. Als ob
es nichts gewesen wäre. Damals zwischen den Stühlen. // Ausstieg mit
Sondergenehmigung. Oben drüber der Bahnhof. Da wo die Friedrichstraße sacht.
Preußischer Ikarus. Biermanns graue Flügel. Was ist der Kudamm schon gegen
diesen Osten. //Liegestühle im Halbschatten. Ein Akkordeonspieler. Immer die
selbe Melodie. Zahnlose Melancholie mit blaugrauem Blazer. Im Rücken
S-Bahn-Geräusche. Touristenschiffe vor den Säulenhallen der Kunst. //
Machtvolle Gebäude. Hinterm Dom lugt der Alex. Fassadentücher wo einst der
Palast protzte. Schatten unter den Linden. Verdi ist Programm. Statt
Maiparade. Autos parken fetter. Uniformierte vor den Eingängen. Die Botschaft
seh ich wohl. Kann sein mir fehlt der Glaube. // Eine Elektropedalogruppe.
Helm auf ist Gebot. Besetzte Tische unter Platanen. Ein lauschiges Plätzchen.
Diesmal Saxophonklänge. Es ist nicht mehr schwül. Obgleich ein paar dunkle
Wolken aufziehen. Wo die Franzosenstraße zur Hannah-Arendt wird. // Versteck
spielen in den Stelen. Oder sogar den Arsch drauf platt sitzen. Wer traut sich
oben zu laufen zu springen von Block zu Block. Eine Frau mit Kehrschaufel.
Ordnung muss sein. Ein deutsches Denkmal. Dieser Respekt vor der Geschichte.
// Bäuchlings Stadtpläne checken. Liebespaare necken sich mit schnellen
Seitensprüngen. Keine Nischen. Stehen bleiben hilft nichts. Überall
Sichtachsen. Über allem wacht die Amerikanische Botschaft. Andererseits das
DDR-Cafe. Zeitreisen in Trabis. Der Himmel verdunkelt sich. Weiter westlich.
// Die Kuppel des Reichtags ist wieder begehbar. Irgendwann wird die letzte
Vopo-Mütze mal verkauft sein. Die kürzeste U-Bahn der Welt. Ein
Sprengstoffanschlag auf den Bahnhof. Brächten so viele Scherben Glück?
Spreeufer rückwärts. Schwangere Auster. Ein Panoramaboot wendet. Union wird
niemals untergehn. Ein
Merkelsatz? // Ein paar Regentropfen am Bellevue. Die S-Bahn kommt pünktlich.
Gesprächen folgen. Versatzstücke für Texte sammeln. Das Gewitter ist
vorbeigezogen. Die Sonne scheint ins Hotelzimmer. So oder so, lebendrot oder
todrot. Wofür ist dieser Tag eine Option?